J.S. Bach, Matthäus Passion
Musik als Welttheater: Die „Matthäus Passion“ von Johann Sebastian Bach dringt ins Innerste des Menschlich-Allzumenschlichen vor, zielt die Musik um Erlösung und Erbarmen auch in verstörende Tiefen menschlicher Niedertracht. Aktueller hätte die Passion kaum platziert sein können als in unsere Gegenwart, wo albtraumhafte Realszenarien das Kommando übernehmen. Umso einleuchtender verlieh Judith Gennrich (Sopran) der Arie „Erbarme dich, mein Gott“ jene glühende Intensität, die unwiderlegbar scheint: Die Vision paradiesischen Glücks im Moment existenzieller Not. Es klang nach selbstloser Überzeugung, die von der Handorfer Kantorei, dem Vokalkreis Münster, dem Mädchenchor der ChorSingSchule Telgte und dem Kourion-Orchester unter Thomas Mayr wie auf einem Atem getragen wurde. In der bis auf den letzten Platz besetzten Kirche St. Michael war eine Aufführung risikoreich rauschhaften Elans zu erleben. Das Konzert wurde am Sonntag in Telgte wiederholt.
Mordpläne, das letzte Passahmahl, Verrat und Gefangennahme Jesu, Verhör, Verurteilung, Kreuzigung, Begräbnis – die Matthäus-Passion verliert keine Zeit. Im komplexen Eingangschor „Kommt, ihr Töchter, helft mir klagen“ herrschte zügiges Tempo; blieb engmaschige Polyphonie transparent und fielen theatralische Zäsuren mit schneidender Schärfe. In den Prozess-Tumulten koordinierte Mayr souverän die theatralische Zuspitzung zwischen Hohepriestern, Zeugen, dem Pontifex und Jesus, eskalierte chorisch der Fanatismus religiöser Eiferer zur gespenstisch realen Szenerie. Chorische Vehemenz und gestische Prägnanz dominierten die von blindem Widerspruch entfesselten Volksausbrüche. Den Chorälen, Zeitfenster der Ein- und Zuversicht, verlieh der Chor im Gegenzug lyrisch-reflexive Intensität. Bezwingend gelang die beseelte Todtraurigkeit des Schlusses „Wir setzen uns mit Tränen nieder“.
Cristian Ramirez (Tenor) sang den Evangelisten mit dosierte Emphase, während der „Jesus“ von André Sühling (Bass) menschliche Wärme und Integrität ausstrahlte. Jieun Lee führte ihren Elfen-Sopran durch lichte Gefilde pastoraler Demut und Philipp Bopp (Bass) ließ in Judas‘ Bußekapaden reuige Kehrseiten eines verfemten Verräters hörbar werden. Als Pilatus interpolierte Enno Kinast in populistischen Winkelzügen – „Ich bin unschuldig an dem Blut dieses Gerechten…“ – den Tonfall blitzartiger Trauer. Auf dem Höhenkamm vertrackter Extremrhytmik zeigte sich Stephan Hinssens Tenor in der Arie „Geduld! Wenn mich falsche Zungen stechen“ als absolut bekenntnissicher. Das „Wenn ich einmal so scheiden“ klang in chorisch schwereloser Diktion wie ein bestürzender Neuanfang. Für die Weltzeit ist Menschheitsgeschichte nur ein Wimpernschlag, die „Matthäus-Passion“ aber gewährt ihr Ewigkeit. Das war an diesem Abend zu hören.
Günter Moseler, Mit glühender Intensität, WN 25.03.2024
W. A. Mozart, Missa solemnis in C und G. F. Händel, Dettinger Te Deum
[…] Und so waren es immer wieder triumphale Töne, die der Vokalkreis Münster am Sonntag in der gut besuchten Erphokirche anstimmte, gekrönt von den Trompeten des Kourion-Orchesters. An Glanz und Pracht standen die von Thomas Mayr dirigierten Sängerinnen und Sänger den Trompeten dabei in nichts nach. Wobei Händel es den Ausführenden nicht unbedingt leicht macht und den Chor oft in höchste Höhen hinauftreibt. Kein Problem für den gut präparierten Vokalkreis. Der erwies sich durchweg als klangschön, sicher im Umgang mit Mayrs durchaus etwas angezogenen Tempi und dem kontrapunktischen Gewebe, das Händel stellenweise komponiert hat.
Das „Te Deum“ bot aber auch Momente der Stille und der Kontemplation, exemplarisch im „Du sitzest zur Rechten des Herrn“ mit den Solisten Sugang An (Alt), Minkyu Seo (Tenor) und Enno Kinast (Bass), die wunderschön harmonisch miteinander agierten.
[…]
Mit Mozarts ‚Missa solemnis in C‘ hatte Mayrs Vokalkreis sein Konzert eröffnet – wie Händel eine ebenfalls sehr anspruchsvolle Aufgabe, die Beweglichkeit und rhythmische Präzision verlangte. Wie viele andere Chöre leidet auch der Vokalkreis unter dem Mangel an Männerstimmen. Dennoch gelang dem Ensemble ein stets ausgewogener Klang ohne jede Schärfe, ganz so wie den Vokalsolisten, von Sopranistin Melanie Spitau brillant zur Vierstimmigkeit aufgefüllt.
Herzlich und anhaltend der Beifall des Publikums für ein bemerkenswertes Programm.
Christoph Schulte im Walde WN 21. 11. 2017
Johannes Brahms, Ein deutsches Requiem
Die Solisten Iris Kupke (Sopran) und Karl-Heinz Lehner (Bariton), für die in den Mittelsätzen nur recht kurze Einsätze vorgesehen sind, stellten mit ihren glanzvollen Darbietungen eine Herausforderung für das Laienensemble dar. Der stimmgewaltige und bestens präparierte Chor, der hauptsächlich das Requiem musikalisch und textlich zu tragen hatte, meisterte die Aufgabe mit Bravour. Besonders in den bewegten und kraftvollen Momenten wusste er zu überzeugen, aber auch in den feierlich gesetzten Passagen agierte er mit konzentriertem Ernst. Das Publikum folgte den trostspendenden, ergreifenden Klängen tief versunken. Am Ende brandete langer Applaus auf.
Michael Schardt, WN 31.10.2016
Der nächste Satz beinhaltet in seinem Baritonsolo – hier sehr eindringlich vorgetragen von Karl-Heinz Lehner, zuletzt die Frage „Nun Herr, wes soll ich mich trösten?“, auf die der Chor in einer ob ihrer diffizilen Einsätze anspruchsvollen großen Fuge die tröstende Antwort weiß: „Der Gerechten Seelen sind in Gottes Hand“. Hier bestachen Chor und Solisten mit Klarheit und schöner Balance, auch im Sopransolo von Iris Kupke im fünften Satz „Ihr habt nun Traurigkeit, aber ich will euch wiedersehen“, das quasi als Antwort auf diese Frage gedeutet werden kann. […] Dazwischen lag das zarte und melodische „Wie lieblich sind Deine Wohnungen, Herr Zebaoth“, in dem der Chor mit seinem engagierten Leiter einmal mehr zeigte, dass er auch feine Nuancen zu gestalten weiß. […] Für diesen wahrlich eindringlichen und tröstenden Konzertabend bedankten sich die Zuhörer mit lang anhaltendem Beifall.
Heidi Siegel, Halterner Zeitung, 2. November 2016
C. Ph. E. Bach, die Auferstehung und Himmelfahrt Jesu
Kein Oratorium ohne Chor! Thomas Mayr hatte seinen spürbar hoch motivierten Vokalkreis ausgezeichnet trainiert und sorgte für einen runden, geschlossenen und stets textverständlichen Klang ohne jeden Ausreißer. Das ist für ein Laienensemble alles andere als selbstverständlich. Und das Kourion-Orchester? Das dürfte dieses Bach-Oratorium vielleicht zum ersten Mal gespielt haben, gebot aber über alle klangmalerischen Mittel die diese Partitur fordert.
Christoph Schulte im Walde, WN 28. April 2015
Unter der souveränen Leitung von Thomas Mayr musizierten das Orchester mit dem Vokalkreis Münster und drei Solisten. […] Der Chor bot die gewaltigen Choräle mit guter Artikulation und feiner Abstimmung der Tempi dar. […]
Die Engel [Melanie Spitau, Fritz Steinbacher und Karl Heinz Lehner] verstanden es hervorragend, begleitet vom Orchester, die Schöpfungsgeschichte in gut verständlichen und sauber und schön intonierten Arien und Rezitativen vorzutragen. […]
Die Zuhörer konnten am Ende nach dem gewaltigen Schlusschor „Die Himmel erzählen die Ehre Gottes“ ihren reichlichen Beifall einer berührenden Oratorieninterpretation eines gut aufeinander abgestimmten Orchesters […] und Chores spenden, sowie Sängern, die mit ihren je individuellen Stimmen aufs Feinste ihren Partien Leben einhauchte, wie es sich für eine Schöpfungsgeschichte ja auch gehört…
Heidi Siegel, Haydns Schöpfung erklingt im Glanz der Abendsonne, Halterner Zeitung 17. 6. 2013
Der junge Maestro Croonenbroeck spürte den innigen lyrischen Momenten nach und brachte vieles auf einen besinnlichen Nenner, das sonst wie Lametta über der Prachtpartitur hängt.[…] Der Chor, den Thomas Mayr (auch Solo-Bass des Abends) sehr gut einstudiert hatte, gefiel mit rundem Ton und inniger Phrasierung.
Arndt Zinkant, Mit Feinheiten an das Schönste, WN 22. November 2011
Bach, Johannespassion
Die Johannespassion von Johann Sebastian Bach endete am Freitag Abend mit den Schlussworten des Chorals „Ich will dich preisen ewiglich“, der nach der Grablegungsszene die Hoffnung zum ausdruck bringt, dass auch die Zuhörer dieses Oratoriums einst Gott in der Auferstehung begegnen werden.
Die 60 Mitglieder des Vokalkreises St. Michael aus Münster verstummten nach diesen Worten, Thomas Mayr als musikalischer Leiter ließ die ausgebreiteten Arme noch einen Augenblick in der Schwebe und das Publikum hielt die Spannung dieses Augenblickes sekundenlang aus, bevor der Applaus die Marienkirche erfüllte.
Halterner Zeitung, 30. März 2009
Als das Orchester einsetzte, herrschte sofort Stille in der vollbesetzten Kirche. Konzentriert lauschte das Publikum dem stimmgewaltigen Chor, der vor allem bei den Chorälen glänzte. […] Während der gesamten Aufführung ergänzten sich Sänger und Orchester in bemerkenswerter Weise. Die Solisten erhoben sich in vielen Fällen aus der Mitte des Chors und interagierten so gut mit den anderen Ausführenden.
Annika Bingmann, Überzeugender Auftritt, WN 31. März 2009